Stellungnahme der Religionslehrer*innen zur aktuellen Situation in der Kirche

Liebe Schüler*innen und liebe Eltern, liebe Schulgemeinde, 

als Lehrer*innen und besonders als Religionslehrer*innen der Bischöflichen Canisiusschule Ahaus repräsentieren wir hier vor Ort die katholische Kirche, wir sind sozusagen: ihr Gesicht. Doch wir spüren deutlich, dass es uns in vielerlei Hinsicht schwer möglich ist, die befreiende Botschaft des christlichen Glaubens mit den offiziellen Verlautbarungen der patriarchalen Amtskirche zu vereinbaren.  

Das bringt uns einerseits in einen Authentizitäts- und andererseits in einen Loyalitätskonflikt. 

Am 14.2.2022 haben elf Generalvikare, darunter auch der für das Bistum Münster zuständige Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp, einen offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing verfasst, in dem sie fordern, ab sofort auf arbeitsrechtliche Sanktionen in Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung zu verzichten. Die Generalvikare reagieren damit auf die Initiative #outinchurch. Das hört sich zunächst gut an, bedeutet aber im Klartext lediglich, dass eine zivile gleichgeschlechtliche Ehe, die Wiederverheiratung Geschiedener oder das Ausleben der transgeschlechtlichen bzw. intergeschlechtlichen Identität kein Kündigungsgrund mehr sind, weil ab jetzt anerkannt wird, dass der Beziehungsstatus in den privaten Bereich gehört und deshalb keine arbeitsrechtlichen Sanktionen nach sich zieht.  

Wir als Erwachsene, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind, möchten einen Schritt weiter gehen. Wir möchten Kirche nicht nur als angstfreien Raum erleben, weil wir keine Kündigung mehr zu befürchten brauchen, sondern wir möchten als Menschen in unserer Ganzheit akzeptiert werden – so wie wir das auch mit den uns anvertrauten Schüler*innen versuchen. „Keine Strafe“ ist noch weit von Angenommensein und Akzeptanz entfernt. 

Wir erwarten, dass die verantwortlichen Amtsträger Reformen wagen:  

    • die Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester,  

    • die Aufgabe einer körperfeindlichen Sexualmoral, 

    • die Veränderung Jahrhunderte lang gewachsener Machtstrukturen, 

    • die Öffnung aller geweihten Ämter für Frauen 

    • und die Übernahme von Verantwortung gegenüber den Opfern von Missbrauch.  

 

Wir wollen selber an einer lebendigen Kirche mitwirken,  

    • die die befreiende Botschaft Jesu ernst nimmt, 

    • die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, 

    • die Vielfalt begrüßt und Gleichberechtigung lebt, 

    • die sich für Gerechtigkeit einsetzt, 

    • die ohne zu rechnen teilt und sich solidarisch mit den Opfern (auch des sexuellen Missbrauchs) und den Schwachen zeigt, 

    • die Menschen aufrichtet und falsche Machtstrukturen entlarvt, 

    • die nicht Moral predigt, sondern das Leben feiert. 

 

Bei all unserer Kritik und unserer Forderung nach Reformen geht es uns letztlich darum, der Kirche Christi ein menschenfreundliches Angesicht zu geben, sodass die Menschen, die uns anvertraut sind, spüren können: Wir glauben an einen Gott, der uns bedingungslos liebt und will, dass wir ein erfülltes und angstfreies Leben führen. 

Ahaus, den 21. Februar 2022

Stephanie Blankenstein, Miriam Grimm, Andreas Jung, Lioba Künnemann, Dirk Rietmann, Katrin Rüther, Clara Samberg, Sabrina Stratmann, Andrea van der Linde, Bärbel Weiland, Ulrike Wiesbrock-Ruppert

 

Am 16. März 2022 kam die Antwort von Generalvikar Dr. Winterkamp: Hier nachzulesen!